Aus einem Tabakschuppen wurde ein ungewöhnliches Museum | Fact Sheet - Museum des Tabakanbaus im ehemaligen Tabakschuppen in Lorsch
„Schon als wir 1982 die erste, kleine Tabakausstellung im Alten Rathaus eröffneten, war uns klar: Das Thema Tabak müssen wir ausbauen!“ so der 1. Vorsitzende des Lorscher Heimat- und Kulturvereins, Reinhard Diehl. Dass man allerdings 35 Jahre später sogar zwei Tabakmuseen in Lorsch haben würde – daran hatte damals sicherlich niemand geglaubt: Denn zu dem 1995 eröffneten Tabakmuseum in der Stadtmitte ist nun im denkmalgeschützten Tabakschuppen am östlichen Stadtrand ein Museum des Tabakanbaus hinzugekommen. Mitten im Welterbe Areal, südlich von Lauresham, hat die 50 Meter lange und 13 Meter hohe Scheune somit eine noble Umnutzung erfahren.
„Damit“, sagte Bürgermeister Schönung der Presse, „haben wir das Gebiet rings um unsere Welterbestätte entlang der Kulturachse - wie im Masterplan vorgesehen - um eine weitere Attraktion bereichert. Neben dem Welterbe ist der Tabak das zweite Alleinstellungsmerkmal für unsere Stadt.“ Schönung spielte damit auf die dreihundertjährige Tabaktradition in Lorsch an. Beim Tabakmuseum im Museumszentrum dreht sich alles um die Tabakverarbeitung und Rauchkultur. Der ehemalige Trockenschuppen hingegen ist dem Thema Tabakanbau vorbehalten (Ausstellungsfläche ca. 400 qm). Das etwa ca. 140 000 € teure Projekt wurde etwa zur Hälfte durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert.
„Hier wurde hart gearbeitet“, so Schönung und dankte den Akteuren, allen voran dem Projektbeauftragten des Heimat- und Kulturvereins, Bernhard Stroick, dem Reinhard Diehl im Anschluss den Titel „Tabakbotschafter der Stadt Lorsch“ verlieh. Das Museum ist ein weiterer Beleg für die gute Kooperation der Stadt mit dem Heimat- und Kulturverein. Mit Hilfe zweier Museumsexperten planten und konzeptionierten die Projektleiterin der Stadt, Heike Schneider und Bernhard Stroick die zwanzig Themenstationen umfassende Präsentation direkt im Lorscher Sandboden, umgeben von Äckern und Weiden.
„Eigentlich unmöglich als Museum“, fasste denn auch Reinhard Diehl seine zunächst getroffene Beurteilung zusammen. Nun stehen dort auf zwei Ebenen Medienstationen, multimediale Elemente, die historischen Objekte werden präsentiert und beleuchtet, informative Lichtpulte mit vielen Fotos säumen den Weg der Besucher. Und wer sich durch das Erdgeschoss und den 1. Stock des langen, schmalen Gebäudes bewegt, hat am Ende den Eindruck, dass genau die authentischen, belassenen Gegebenheiten der hölzernen Zweckarchitektur das landwirtschaftliche Thema ungeheuer lebendig und nachvollziehbar und die Präsentation des Themas damit so ungewöhnlich, ja wohl einmalig machen.
„Was wir zeigen wollen, ist vor allem auch der soziale Wandel im Tabakanbau zwischen 1880 und 2000“, erklärte Bernhard Stroick. Er wies darauf hin, dass die Ausstellung keinesfalls selbsterklärend ist. „Vor allem deshalb ist der Tabakschuppen nur mit Führung zugänglich“, sagte der engagierte Tabakexperte. „Die führenden Personen erläutern die Hintergründe der Fakten und Objekte, die wir in den einzelnen Themenstationen zusammengetragen haben. Vor allem deren soziale Auswirkungen und wirtschaftliche Folgen.“
Seit
2000 wird in Lorsch kein Tabak mehr angebaut. Um die Kultur des Tabakanbaus
dennoch zu würdigen und als Tribut an eines der prägendsten Kapitel der
Lorscher, ja regionalen Geschichte, wurde 2013 das Lorscher Tabakprojekt
initiiert. Seither bewirtschaftet die Gruppe ein etwa 1000 Quadratmeter großes
Feld in unmittelbarer Nähe des Tabakschuppens ehrenamtlich. Damit deutet sich
eine weitere Besonderheit des nagelneuen Museums an: Es dient auch als
Arbeitsplatz. D.h. die dort aufgestellte Tabakaufnähmaschine bspw. wird vom
Tabakprojekt bei der Ernte genutzt, ebenfalls der historische Bulldog, die
Gruppe hängt dort Tabak zum Trockenen auf, lagert ihre Gerätschaften etc. „Auch
das ist sicherlich eine Form des Umgangs mit einem Museum, der eher selten sein
dürfte“, schmunzeln die Verantwortlichen. „Aber das Endprodukt, die Zigarre,
die wird natürlich nur VOR dem Tabakschuppen geschmaucht, mit Blick auf das
blühende Tabakfeld.“ Historisch besser fundierten Genuss dürfte es wohl
schwerlich geben …
FACT SHEET
Museum des Tabakanbaus im ehemaligen Tabakschuppen in Lorsch
Adresse: Im Klosterfeld 13 (südlich vom Freilichtlabor
Lauresham)
Begehung und Besichtigung nur im Rahmen von Führungen
Dauer 90 Min.
Gruppen bis 10 Personen 70 € (jede weitere Person 7 €, inkl. Museumseintritt)
DI - SO bis 31. Oktober und ab 1. März
Parken auf der Odenwaldallee oder südlicher Karolingerplatz (Klosterstraße)
Buchungen in der Tourist-Info NibelungenLand im Alten Rathaus (info@nibelungenland.net oder Fon 0 62
51.17 62 60)
Der
Tabakschuppen
Ursprünglich
1935 in Hüttenfeld errichtet; 1965 dort abgeschlagen und am jetzigen Standort
mit einigen baulichen Änderungen wieder aufgebaut
Abmessungen: Höhe 13 m, Breite 8m, Länge 50m
Verbaut wurden bei der Errichtung ca. 30.000 lfd. Meter Holz und ca. 36.000 Nägel für die Aufhängevorrichtungen der Bandeliere, 9000 Meter Seile und Ketten für die Jalousien
In der Regel bei Scheunen dieser Größe genossenschaftliche Nutzung durch verschiedene Tabakanbauer, die Trockenflächen anmieteten; der Tabakschuppen im Klosterfeld war privat
Fassungsvermögen250 Zentner Trockengut
Das
Museum
Thema:
Tabakanbau und sozialer Wandel in Ergänzung
zum bestehenden Tabakmuseum mit Schwerpunkt Tabakverarbeitung und Rauchkultur im
Museumszentrum Lorsch
Ausstellungsbereiche: Erdgeschoss und 1. Obergeschoss mit insgesamt 20 Themenbereichen mit historischen Objekten, Informationstafeln, sechs Filmstationen und einer Hörstation
Themenbereiche
des Tabakanbaus:
- Die Tabakpflanze
- Der Boden
- Die Aussaat
- Die Entwicklung der Aussaat über die Jahrzehnte
- Die Anzucht von Jungpflanzen im Folientunnel
- Die Bewässerung
- Das Pflanzen der Tabaksetzlinge
- Die Bodenbearbeitung und Pflege
- Das Köpfender Blüten
- Das Geizen der Triebe
- Die Ernte
- Der Transport des grünen Tabaks
- Das Bandelieren (Aufnähen)
- Mechanisches Bandelieren
- Die Heißlufttrocknung
- Der richtige Trockenzustand
- Buscheln
- Vermarktung
- Die natürliche Fermentation
- Entwicklung und Formen der Tabakscheunen
- Tabakschuppen in Lorsch
- Tabakanbau in Lorsch – Beginn und Blütezeit und das Ende des Tabakanbaus
Das Projekt
Bauherr
Stadt Lorsch (Projektleitung Heike
Schneider)
Realisierung in Kooperation mit dem Heimat- und Kulturverein e.V. Lorsch (Vorsitzender Reinhard Diehl, Projektverantwortlicher Bernhard Stroick)
Gefördert durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst
Gesamtkosten ca. 140.000€, Fördermittelanteil 65.300€
Dauer des Projekts ca. 2,5 Jahre
Planung Herr Thomas Scheuermann, Birstein
Gesamtkonzeption der Ausstellungspräsentation Anette Vinnen, Frankfurt am Main
Grafik Designgruppe Fanz & Neumayer, Heidelberg und Ludwigshafen
Tabak
in Lorsch
Über 300 Jahre lang Tabakanbau und
-verarbeitung ; in der Hoch-Zeit um 1918 hatte Lorsch 5100 Einwohner und ca. 20
Zigarren-Manufakturen, 1/3 der Gesamtbevölkerung war hier beschäftigt, 180
Familien verdienten ihr Geld mit dem Tabakanbau der ; Hessischer Tabakbauverband wurde 1937 in
Lorsch gegründet
Ende der Zigarrenproduktion Mitte 1980er Jahre
Ende des Tabakanbaus im Jahr 2000
Heute:
Ehrenamtliches Tabakprojekt (auch im Tabakschuppen
tätig) mit Feldern im Umfeld des Tabakschuppens im Welterbe Areal entlang der
Kulturachse; angebaut wird der Zigarrentabak Geudertheimer; Anbaufläche etwa
1000qm.
Weitere Informationen und Bildmaterial:
Heike Schneider(Projektleiterin im Bau und Umweltamt der Stadt Lorsch), 0 62 51.59 67-305 oder h.schneider@lorsch.de
Gabi Dewald (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Stadt Lorsch), 0 62 51.59 67-501 oder g.dewald@lorsch.de